Bröhan-Museum: Zeugnis Eisenwalzwerk – Enteignung und Untergang eines Stahlimperiums

»In der Halle wirbelte heute der Schnee und taute auf meinem Bild und der Palette.« Im Januar 1910 schilderte Hans Baluschek seiner Frau in mehreren Briefen, die im Archiv des Bröhan-Museums verwahrt werden, von seiner Arbeit am »Eisenwalzwerk« in der Fabrikhalle der Hahnschen Werke AG in Großenbaum (heute Duisburg) »unter Donnern, Krachen, Funken«. Baluschek beschrieb auch die Gastfreundschaft der beiden Direktoren und Teilhaber des Röhrenwalzimperiums, Dr. Georg Hahn (1864–1953) und Heinrich Eisner (1850–1918).

Auf der Rückseite des Gemäldes befindet sich die handschriftliche Bezeichnung des Künstlers samt Angaben zu Ort und Entstehungszeit (es wurde im Februar und März 1910 im Berliner Atelier vollendet), jedoch ohne Hinweis auf den früheren Besitzer. Sehr wahrscheinlich war Eisner der Auftraggeber, denn inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass sich das Gemälde in seinem Eigentum befunden hatte: 1912 war es in Essen zum 100-jährigen Jubiläum der Firma Krupp als Leihgabe von Kommerzienrat Heinrich Eisner ausgestellt. Der Seniorchef war außerdem Teilhaber und Vorstandsvorsitzender weiterer Firmen und Kartelle der europäischen Stahlindustrie. Als Vorstandsmitglied und späterer Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin holte er Leo Baeck als Gemeinderabbiner in die Hauptstadt. Eisner und seine drei Kinder lebten im Tiergartenviertel, wo sich zeitweise auch das Berliner Büro befand. 1938 wurde die Firma enteignet und von der Mannesmannröhren-Werke AG übernommen. Die Kinder flohen mit ihren Familien ins Exil nach England, Argentinien und in die USA. Heinrich Eisner und seine Mildtätigkeit gegenüber Armen und Kriegsversehrten geriet in Vergessenheit.

Nach 1912 verliert sich jede Spur des Gemäldes. 1972 erwarb es der Sammler Karl H. Bröhan aus dem Berliner Kunsthandel, vermutlich in der Kunstgalerie Horst Boettcher. Auch die neu entdeckten Werkkarteien Baluscheks (Archiv der Akademie der Künste) konnten keine Provenienzhinweise liefern, dafür allerdings ein historisches Foto. Im Austausch mit den Nachfahren wird das Schicksal des Gemäldes derzeit untersucht.

Text Sabine Meister, Sammlungskuratorin und Provenienzforschung.

Hans Baluschek, »Eisenwalzwerk« (Hahnsche Werke – Großenbaum bei Duisburg), 1910, Bröhan-Museum.
Foto: Martin Adam