Das sind anspruchsvolle Prozesse

Staatliche Museen zu Berlin

Heike Kropff, Abteilungsleitung Bildung/Kommunikation

Was verstehen Sie unter Outreach?

Der Titel eines großen Vermittlungsprojekts, das die Staatlichen Museen zu Berlin von 2019 bis 2021 realisiert haben, spiegelt eine mögliche Definition von Outreach: »Weg und hin! Museen erweitern ihre Wirkungsbereiche«. Im Rahmen dieses Projekts haben wir die musealen Grenzen verlassen, mit Schüler*innen und Lehrer*innen in Brandenburg zusammengearbeitet und versucht, Brücken zwischen städtischen und ländlichen Bildungsräumen zu spannen. Ich verstehe unter Outreach jedoch mehr, nämlich einen systematischen Prozess, der darauf zielt, die Haltung der Kulturinstitutionen, deren Gefasstheit und Programmatik zu verändern, um eine die Gesellschaft widerspiegelnde Nutzer*innenschaft zu erreichen.

Welche konkreten Zielgruppen wollen Sie erreichen? Wen erreicht Outreach nicht? Wie niedrigschwellig muss, wie anspruchsvoll sollte Outreach sein?

Ich spreche für den Bereich Bildung und Vermittlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Seit fast zehn Jahren initiieren wir große Vermittlungsprojekte, um Menschen zu erreichen, die in den Museen unterrepräsentiert sind. Die systematische Arbeit mit Schulen ist hierbei ein Schwerpunkt, denn keine andere Institution bildet die Diversität der Gesellschaft so gut ab wie die Schule. Mit dem Begriff »niedrigschwellig« tue ich mich schwer. Vielmehr geht es darum, Anknüpfungspunkte zwischen verschiedenen Systemen aufzuspüren, also zum Beispiel die Frage zu stellen, wie sich schulische und museale Realität verändern müssen, damit beide Institutionen gut zusammenarbeiten können. Diese Frage stellt sich auch in der Zusammenarbeit mit neuen Nutzer*innen: Was zum Beispiel müssen wir tun, damit unser Publikum »Andockmöglichkeiten« zwischen eigenen Interessen, vorhandenen Kompetenzen und gegenwärtigen Fragestellungen sowie den Objekten der Museen findet? Hierbei handelt es sich um höchst anspruchsvolle Prozesse, für deren Initialisierung und Begleitung die Museen unter anderem qualifizierte Mitarbeiter*innen im Bereich Bildung, Vermittlung und Outreach benötigen

Mit welchen Projekten/Initiativen haben Sie den größten Erfolg? Was muss sich in den Museumsstrukturen ändern, um diese Erfolge zu verstetigen?

Im Rahmen von lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen haben wir fünf Jahre lang systematisch mit neun Partnerschulen zusammengearbeitet, die oben beschrieben Fragestellung erforscht und dokumentiert.  Mit »Ausnahmen sind hier die Regel! Inklusive Bildungsarbeit in Museen« richten wir den Fokus auf besonders heterogene Nutzer*innengruppen. Bei »Hier sind wir« arbeiten wir seit 2016 mit sozialräumlichen Bündnispartner*innen aus der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Allein aus diesen drei beispielhaften Projekte resultiert ein riesengroßer Erfahrungsschatz, den wir auf alle Staatlichen Museen übertragen und verstetigen können. Um dies mit der notwendigen Intensität, Sorgfalt und Schnelle leisten zu können, benötigen wir jedoch weitaus mehr Ressourcen als derzeit vorhanden sind. Wünschenswert wären zudem Ressourcen, um die gewonnen Kompetenzen – wie bei lab.Bode geschehen – auch mit anderen Institutionen zu teilen.

Die notwendige Stärkung der Museumsbesucher*innen ist unmittelbar mit einer Stärkung der Bildungs- und Vermittlungsarbeit verbunden. Diese Erkenntnis ist ja nicht neu. Eingedenk der Langwierigkeit, die institutionellen Veränderungsprozessen innewohnt, wünsche ich mir für diese Kernaufgabe von Museen eine Art »Schnellstraße«. Damit meine ich herausragende Möglichkeiten und Strukturen, um zusammen mit unserem Publikum an der notwendigen Öffnung der Museen für eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Nutzer*innenschaft zu arbeiten.

Lassen sich bereits Effekte in Richtung einer diverseren, die Gesellschaft klarer widerspiegelnden Besucherschaft feststellen?

Wir erleben in allen Projekten, in denen wir eng mit Schulen zusammenarbeiten, eine hohe Akzeptanz von Seiten der Schüler*innen und Lehrer*innen. Mit vielen sozialräumlichen Bündnispartner*innen haben sich enge Partnerschaften entwickelt. Aus Lab.Bode ist unter anderem Achtet AlisMB,  das Jugendgremium der Staatlichen Museen zu Berlin, hervorgegangen. Haus Bastian – Zentrum für kulturelle Bildung bietet neue Möglichkeitsräume, die wir derzeit mit neuen Nutzer*innengruppen ausloten. Im Rahmen des Museumssonntags verändert sich selbst das Publikum an tourismusstarken Standorten wie der Museumsinsel. Das sind überaus erfreuliche Entwicklungen, die zeigen, dass kulturelle Teilhabe machbar ist. In Bezug auf die überaus komplexe Gesamtbesuchssituation der Staatlichen Museen zu Berlin ist jedoch noch viel Luft nach oben. Aus meiner Sicht ist dies unsere Kernaufgabe der nächsten Jahre.

Heike Kropff, Foto: David von Becker